Psychologische Praxis
Dr. phil. Andreas Leuenberger

Bern und Thun, Telefon: 031 332 17 67 | Mobil: 079 817 36 72

Verschiedene Ansichten über das Heilen seelischer Wunden sind verbreitet; einige von ihnen beruhen auf Missverständnissen und können bei traumatisierten Menschen grossen Schaden anrichten:

Das positive Denken:

Es wird empfohlen, täglich positive Gedanken zu sich selber zu sagen wie: 'Ich bin wertvoll', oder 'Ich bin gesund, alle Probleme lösen sich von selbst'. Die Idee dahinter ist, dass das Unterbewusstsein diese Überzeugungen nach und nach aufnimmt und glaubt und so alle Probleme gelöst werden können.

Traumatisierte Menschen haben aber in ihrem Unterbewusstsein abgespaltene Anteile ihrer Persönlichkeit, die traumatische Erinnerungen tragen. Da beides, die Anteile und die Erinnerungen, von der restlichen Persönlichkeit abgespalten ist wie Äste von einem Baum, bleiben sie unberührt von allen positiven Affirmationen. Traumatisierte Menschen versuchen dann verzweifelt, dass sie durch positives Denken gesund werden, aber von innen her kommt immer wieder das Gift der unverarbeiteten Traumata.

Es ist wie bei einem Haus, dessen Erdgeschoss und die oberen Stockwerke von positiven Gedanken schön durchlüftet werden, aber im Keller sind die noch eingesperrten verletzten inneren Kinder mit ihren belastenden Erinnerungen, und kein frischer Luftzug gelangt hinab zu ihnen. Sie müssen gefunden, herausgeholt und erlöst werden. Was sie erlebt haben, wartet darauf, realisiert und integriert zu werden.

Das Loslassen und nach vorne Schauen

"Man kann an der Vergangenheit nichts mehr ändern, schau besser nach vorne."

Traumatisierte Menschen sind empfänglich für diese Idee, denn sie möchten lieber nichts mehr zu tun haben mit ihren traumatischen Erinnerungen. Aber solange diese Erinnerungen nicht verarbeitet sind, holen sie die Betroffenen immer wieder ein. Um also möglichst rasch loslassen und nach vorne schauen zu können, gibt es keinen besseren Weg als die belastenden Erinnerungen möglichst schonend zu verarbeiten.

Denn an der Vergangenheit können wir tatsächlich nichts mehr ändern, wohl aber an unseren Erinnerungen an sie.

Alte Wunden heilen lassen ohne zu wissen, was genau geschah:

Manchmal möchten sich traumatisierte Menschen einfach entspannt hinlegen und vom Therapeuten oder der Therapeutin ihre seelischen Wunden heilen lassen. Sie glauben vielleicht, gesund werden zu können ohne zu wissen, was früher geschah. Der Therapeut oder die Therapeutin löse es für sie, indem er oder sie die traumatischen Erinnerungen lösche oder umprogrammiere.
Das kann so nicht klappen, denn zu den alten Wunden gehören innere Kinder, die darauf warten, von der erwachsenen Person gefunden zu werden und ihr zeigen zu können, was sie erlebt haben.

Ohne Vergebung keine Genesung:

Spirituell orientierte Therapeuten und Therapeutinnen sind in der Regel überzeugt, dass seelische Wunden jeglicher Art nur heilen können, wenn die traumatisierte Person alles verzeihen könne und den Täter von jeglicher Schuld freispreche.
Diese Überzeugung teilen sie auch Patienten und Patientinnen mit, die sexuelle Gewalt erfahren mussten. Diese versuchen dann zu verzeihen und geraten so in noch tiefere Schuld- und Schamgefühle, wenn sie bemerken, dass ihnen dies nicht gelingen kann.
Sexuelle Gewalterfahrungen können restlos verarbeitet werden ohne dem Täter zu verzeihen. Am Schluss sind die alten Gefühle von Angst und Scham, von Trauer, Wut und Hass gelöst. Das frühere Opfer fühlt sich frei und trägt dem Täter nichts mehr nach. Nur darauf kommt es an, um die Erinnerungen loslassen zu können und ein von alten Wunden befreites neues Leben zu finden.